Nachberichterstattung Bundestagswahl: "Bereit für den Reichstag - Von den Kreis-Abgeordneten freuen sich die Neulinge von CDU und FDP am meisten"

Aus der umfangreichen Nachberichterstattung zur Bundestagswahl der Gütersloher Zeitungen:
Unter obiger Überschrift berichtet Ludger Osterkamp für die "Neue Westfälische" wie folgt. 
Kreis Gütersloh. Sein Leben hat sich über Nacht geändert – und das im wahrsten Sinne des Wortes. Um exakt 3.59 Uhr klingelte das Handy von Heiner Kamp, und der Landeswahlleiter verkündete, was sich bereits seit den ersten Hochrechnungen um 18 Uhr abgezeichnet hatte: Der Versmolder zieht als erster Liberaler aus dem Kreis Gütersloh in den Deutschen Bundestag ei
n.
Der heimische Wahlkreis, auch das ist neu, ist somit ab sofort gleich dreifach in Berlin vertreten: mit Ralph Brinkhaus, der das Direktmandat mit 44,75 Prozent für die CDU gewann, mit Klaus Brandner (SPD), der sich wegen seines sicheren Listenplatzes nie Sorgen machen musste, und mit Heiner Kamp, der an diese Nacht wohl noch lange Erinnerungen haben dürfte.
Auf gute Zusammenarbeit: Heiner Kamp und Ralph Brinkhaus konnten sich gegenseitig beglückwünschen.Auf gute Zusammenarbeit: Heiner Kamp und Ralph Brinkhaus konnten sich gegenseitig beglückwünschen.

„An Schlaf war kaum zu denken“, sagte der 45-Jährige, der am Sonntag mit einem Fanclub von 15 bis 20 Versmoldern in die Wahllobby des Kreishauses gefahren war und anschließend bereits vorsichtig optimistisch im Gütersloher Brauhaus angestoßen hatte. Kamp setzte sich gestern morgen gleich in den Zug und nahm an der ersten Fraktionssitzung mit dem mutmaßlich künftigen Außenminister Guido Westerwelle teil. Anschließend flog er nach Düsseldorf, wo der NRW-Landesvorstand traditionell die frisch gewählten Abgeordneten zur Sitzung einlädt. „Das war für den ersten Tag schon ein ziemlich strammes Programm“, sagte Kamp; bereits heute setzt sich erneut in den Zug nach Berlin, um Informationen über Mitarbeiter, Büros und technische Voraussetzungen zu bekommen.


Nicht ausgeschlossen, dass der triumphale Gewinner des Wahlkreises, Ralph Brinkhaus, im selben Zug sitzt. „Vormittags kommt die Landesgruppe NRW zusammen, danach werden die neuen Abgeordneten in die Gepflogenheiten des Bundestages eingewiesen“, so Brinkhaus. Sicherlich werde er auch im Büro von Hubert Deittert vorbeischauen und Gespräche mit den Mitarbeitern und über künftige Abläufe führen. Brinkhaus hatte seinen Sieg mit Lebensgefährtin Elke Tombach und mit Parteifreunden im Le Stelle in Avenwedde gefeiert, „allerdings ohne es zu doll zu treiben.“ Dabei hätte er allen Grund gehabt: Erstmals gelang es der CDU, in allen 13 Kommunen im Kreis Gütersloh bei den Zweitstimmen vorne zu liegen. Selbst in den SPD-Hochburgen wie Halle, Werther oder Borgholzhausen kehrte die CDU die Mehrheiten um.


Nicht nur deswegen war die Kreis-SPD laut ihrem Vorsitzenden Hans Feuß gestern damit beschäftigt, Wunden zu lecken. „Am Dienstagabend tagt der Kreisvorstand. Es muss klar sein, dass es so auch im Kreis Gütersloh nicht weitergehen kann. Wir brauchen neue Ideen, um uns und unsere Wähler zu mobilisieren“, sagte Feuß.


Unter der Überschrift "Gütersloh und Borgholzhausen Hochburgen für Grüne und Linke" berichtet unter anderem "Die Glocke":

Kreis Gütersloh (mn). In Gütersloh und Borgholzhausen haben die Grünen und die Linken am Sonntag bei der Erst- wie auch der Zweitstimme ihren höchsten Zuspruch erfahren. In allen Kommunen des Wahlkreises 132 Gütersloh (ohne Schloß Holte- Stukenbrock und Werther) legten sie deutlich zu. Die Grünen als Partei kamen in Gütersloh und Borgholzhausen sogar klar über 11 Prozent.

In allen elf Städten und Gemeinden des Wahlkreises waren auch die Liberalen im Vergleich zu 2005 im Plus. CDU und SPD ließen dagegen an gleicher Stelle Federn, die Sozialdemokraten deutlich stärker als die Unionschristen. In Halle und Versmold schnitten die SPD und ihr Direktkandidat Klaus Brandner am besten ab. Aber auch der Parlamentarische Staatssekretär aus Verl kam im Gegensatz zu 2005 an keiner Stelle über die 40-Prozent-Marke hinaus, erhielt gleichwohl bis zu 6 Prozent mehr Stimmen als seine Partei. Besonders augenfällig ist der Rückgang um fast 10 Prozentpunkte auf 38 Prozent in Borgholzhausen.

Rietberg, Verl und Herzebrock- Clarholz waren auch am Sonntag Hochburgen der CDU. Kandidat Ralph Brinkhaus büsste im Vergleich zu seinem Vorgänger Hubert Deittert die meisten Stimmen in Versmold (minus 6,7 Prozentpunkte) und Verl (minus 6,2 Punkte) ein. Die CDU an sich verlor am stärksten in Rietberg (minus 4,6) und Langenberg (minus 4,4). In diesen beiden Orten fuhren im Gegenzug die Liberalen ihre höchsten Gewinne ein: Langenberg plus 7,8 und Rietberg plus 6,4 Prozent. FDP-Kandidat Heiner Kamp kam in seiner Heimatstadt außergewöhnlich gut an: Die höchste Zuwachsrate (plus 7,6 Punkte) bescherte ihm 17,1 Prozent.

Marco Mantovanelli (Grüne) erzielte sein bestes Ergebnis mit 8,6 Prozent in Gütersloh. Am deutlichsten legte der 43-Jährige mit 4,9 Punkten allerdings in Schloß Holte-Stukenbrock zu. Herbert Wessel von den Linken erfuhr den größten Zuspruch mit 7 Prozent in seinem Wohnort Gütersloh und legte dort mit 3,2 Punkten auch am stärksten zu. In Verl und Rietberg bekamen die Linken die wenigsten Stimmen.


Das "Westfalen-Blatt" schreibt: Im ICE-Tempo die Hauptstadt erreicht - Kamp sitzt bereits mittags mit Westerwelle zusammen - Brinkhaus wird zum Netzwerker

Von Michael Delker und Oliver Horst - Kreis Gütersloh (WB). Am Tag nach der Wahl gibt es für einen zukünftigen Bundestagsabgeordneten viele Möglichkeiten, um die neue Aufgabe anzugehen. Nach dem monatelangen Dauerwahlkampf wählte Ralph Brinkhaus (CDU) die sportliche Variante: »Ich bin am Morgen erstmal Laufen gegangen, aber nur fünf Kilometer.«

Den Wahlabend ließ Brinkhaus mit seinen Parteifreunden bei dem ein oder anderen Kaltgetränk im »Le Stelle« ausklingen, einem Italiener in Avenwedde. »Es war keine lange Nacht. Nach dem Wahlkampf waren wir zu müde«, berichtet der Gütersloher. Ein anderer Politiker musste da schon mehr Durchhaltevermögen beweisen: FDP-Kandidat Heiner Kamp aus Versmold. Das lange Warten in einer kurzen Nacht hatte für den Liberalen erst um 3.59 Uhr ein Ende. »Ein Mitarbeiter der Bundestagsfraktion aus Berlin hat mich informiert, dass ich es geschafft habe«, sagt Kamp. Ein historischer Erfolg: Der 45-Jährige ist der erste liberale Parlamentarier aus dem Kreis Gütersloh in der Geschichte der Republik.

Die Nacht war für Kamp nach dieser Nachricht natürlich zu Ende. Er führte Telefonate mit seiner Mutter, Bekannten, Parteifreunden und nahm zahllose Glückwünsche entgegen. Als über seiner Heimatstadt noch dichter Nebel lag, machte sich Kamp mit seiner Frau Anke auf den Weg zum Bielefelder Bahnhof. Mit dem ICE ging's nach Berlin. Bereits um 11.30 Uhr saß Kamp in der Frak-tionssitzung mit Parteichef Wes-terwelle. Abends flog er dann weiter nach Düsseldorf. Der Landesvorstand der Liberalen hatte alle NRW-Parlamentarier zur Sitzung eingeladen.

Im ICE-Tempo nach Berlin: In diesem Punkt hat Kamp die Nase vorn. Den neuen Bundestagsabgeordneten Ralph Brinkhaus wird die Hauptstadt erst heute kennenlernen. Der Gütersloher wird an der ersten Sitzung der Landesgruppe und der CDU/CSU-Bundestagsfraktion teilnehmen. Dass er nicht sofort in der ersten Reihe mitspielt, ist dem Kreisvorsitzenden klar. »In der ersten Zeit wird es für mich darum gehen, Kontakte zu knüpfen und Netzwerke aufzubauen«, sagt Brinkhaus. Dass seine Partei künftig mit der FDP regiert, hatte er zwar gehofft, doch nach den letzten Umfragen kamen Zweifel auf. Die Sozialdemokraten schienen im Aufwind zu sein. »Das schlechte Abschneiden der SPD hat mich dann doch sehr überrascht. Da habe ich auch keine Erklärung für«, erklärt der Gütersloher. Die Sozialdemokraten saßen am Sonntagabend im Parkbad zusammen. Zum Feiern war keinem mehr zu Mute. »Es war ein ganz bitterer Abend«, sagt Kreisvorsitzender Hans Feuß, der sich einzig damit trösten kann, dass die SPD im Kreis Gütersloh noch besser abgeschnitten hat als auf Bundesebene.

Er hofft, dass sich die Partei in den kommenden vier Jahren neu aufstellt: »Wir benötigen ein neues Godesberger Programm.« Daran mitwirken kann Klaus Brandner. Der Verler muss zum ersten Mal auf der Opposi- tionsbank Platz nehmen. »Klaus muss seine Position neu finden, doch ich bin mir sicher: Er wird sich und seine Ideen weiter einbringen, damit die SPD ihr Profil schärft«, sagt Feuß.

Und die Grünen? Sie waren die Pechvögel der Bundestagswahl. Nur ein paar Stimmen in NRW mehr und ihr Kandidat hätte ebenfalls das Berlin-Ticket gelöst. Bis Platz 14 griff die Landesliste - Marco Mantovanelli stand auf Platz 16. »Ich zähle zu den ersten beiden Nachrückern«, sagt der Gütersloher. Es gibt also durchaus noch Möglichkeiten, dass der Kreis künftig mit vier Abgeordneten in Berlin vertreten ist.