"Neue Westfäliche": Hochspannung weiter über Häusern - Ausschuss gegen Verlegung der Trasse
Gütersloh (raho). Die Kommunalpolitiker taten sich mit der Entscheidung schwer, aber am Ende der Diskussion stand ein einstimmiges Votum: Die Hochspannungsleitung soll in Avenwedde nicht verlegt werden. Die entsprechende Empfehlung des Planungsausschusses an die Bezirksregierung, die den geplanten Neubau der Leitung genehmigen muss, wurde unterschiedlich aufgenommen.
Enttäuschung bei Monika Oberröhrmann, die mit ihrer Familie am Weidenweg direkt unter der Leitung wohnt und sich in den vergangenen Monaten stark für eine Verlegung engagiert hat (NW vom 3. August). Beifall bei den Gegnern um ihren Sprecher Klaus Grote vom Rotdornweg. Beide Seiten machten – ein Novum in der Geschichte des Gremiums – von ihrem Rederecht vor dem Ausschuss Gebrauch.
Oberröhrmann appellierte an den Ausschuss, Gesundheitsschutz über den Umweltschutz zu stellen und das RWE-Angebot für die Verlegung anzunehmen. „Dann braucht in Zukunft niemand mehr unter der Leitung zu wohnen.“
Grote argumentierte unter anderem, die Wohnlage vieler Avenwedder würde sich dann verschlechtern und ihr Wohneigentum im Wert gemindert. Das sei unzumutbar.
Die Ausschussmitglieder brachten Verständnis für beide Seiten auf, aber die Sprecher der Fraktionen äußerten sich sinngemäß alle so wie Gerhard Piepenbrock (CDU) und Thomas Krümpelmann (SPD). „Eine Verlegung bedeutet eine Verlagerung der Probleme“, meinte der eine. „Wir können nicht dem einen die elektromagnetische Belastung wegnehmen, um sie dem anderen vor die Tür zu legen“, sagte der andere.
„Wer in den letzten Jahren an den Weidenweg gezogen sei, hat eine mögliche Gefährdung in Kauf genommen“, so Siegfried Kornfeld (Grüne), und Norbert Morkes (BfGT) meinte: „Wer in der Nähe eines Sportplatzes zieht, weiß auch, was ihn erwartet.“
Auf Anregung von Raphael Tigges (CDU) soll die RWE offiziell aufgefordert werden, zu prüfen, ob die Leitung im besiedelten Bereich unter der Erde neu verlegt werden kann. Eine Sprecherin des Stromkonzerns hatte dies freilich bereits Ende voriger Woche im Gespräch mit der NW ausgeschlossen. Das sei viel zu teuer. PlanungsamtschefMichael Zirbel sprach gestern von einem zehnfach höheren Aufwand.
FDP-Sprecher Wolfgang Büscher riet den Anwohnern des Weidenwegs, mit der RWE über Zuschüsse für einen Neubau ihrer Häuser an anderer Stelle zu verhandeln. Familie Oberröhrmann hat bereits angekündigt, die Siedlung zu verlassen, sollte die Leitung nicht verlegt werden.
"Die Glocke": Hochspannungsleitungen - Politik erteilt Anliegern des Weidenwegs deutliche Absage Von KAI VON STOCKUM - Gütersloh (gl). Der erste Frust kam am Donnerstagmorgen mit der Post. Als Anwohner des Weidenwegs anonym verfasste Schreiben in ihrem Briefkasten vorfanden, in denen ihr Kampf gegen eine Auflastung der Hochspannungsleitungen über ihren Dächern („Die Glocke“ berichtete) offenbar von Gegnern einer Alternativtrasse in den Schmutz gezogen wurde, saß die Enttäuschung tief. Sie wurde noch größer, als sie gestern im Planungsausschuss eine Absage erhielten.
Einstimmig lehnten die Fraktionen eine Umverlegung ab, die Stadt wird der Bezirksregierung die Beibehaltung der bisherigen Trasse empfehlen. Wie berichtet, wollen die Rheinisch-Westfälischen- Elektrizitätswerke (RWE) im Zuge von Modernisierungsmaßnahmen die bestehenden Hochspannungsleitungen über den Häusern am Weidenweg austauschen, größere Masten aufstellen und die Kapazität fast verdoppeln. Die Anwohner laufen dagegen Sturm und wünschen sich eine Alternativtrasse. Die Mehrkosten würde die RWE tragen.
Städtische Planer und Fraktionen wehren sich dagegen. Erstmals erlebten die Ausschussmitglieder gestern Abend, dass jeweils ein Vertreter der mittlerweile zwei existenten Bürgerinitiativen vom Rederecht im Ratssaal Gebrauch machte und die Position der Betroffenen darstellte. Auf der einen Seite Monika Oberröhrmann vom Weidenweg, die für eine Umverlegung plädiert, auf der anderen Seite Klaus Grote vom Rotdornweg, dessen Haus nahe der vorgeschlagenen Alternativtrasse liegt.
Eine Verlagerung der Probleme befürchtet die CDU. Mehrfach wurde betont, dass in den meisten Fällen zuerst die Leitungen da waren und dann die Wohnbebauung kam – jedoch unter anderen Vorzeichen. Denn die neuen Strippen dürften fast doppelt so viel Energie führen. Um Verständnis bittend brachte der Grüne Siegfried Kornfeld das auf den Punkt, was viele andere Planungsmitglieder vage andeuteten: „Wenn jemand der Meinung ist, dort nicht mehr leben zu können, muss er in den sauren Apfel beißen und sein Haus aufgeben.“ Neue Betroffenheiten zu erzeugen, das komme nicht in Frage.
Eine unterirdische Verlegung der Leitung kommt aus Kostengründen laut Planungsamt wohl kaum in Betracht, noch weniger eine dritte oder vierte Trassenvariante. Irgendwie müsse man immer an Wohnungen und Häusern vorbei, erläuterte Stadtplaner Michael Zirbel. Dass der eine oder andere Sturm laufen würde, sei in jedem Fall vorprogrammiert. In die gleiche Kerbe schlugen Vertreter der SPD. Man könne nicht den einen die Belastung nehmen, um sie anderen aufs Auge zu drücken. So wird die Stadt die Proteste wohl erst einmal hinnehmen: „Eine Trasse ohne Betroffenheiten – das habe ich 27 Jahren noch nicht erlebt“, sagt Zirbel.